Der Mann hinter VIRGIN MOUNTAIN: Regisseur Dagur Kári im Interview

Regisseur Dagur Kári darf trotz seiner jungen 41 Jahre bereits auf eine sehenswerte Karriere zurückblicken. Fernab von teuren Hollywood-Blockbustern und mit Computereffekten gefüllten Actionfilmen konzentrierte sich der isländische Filmemacher auf die facettenreiche Menschlichkeit und die Gedankenwelt einzigartiger Persönlichkeiten. Und feierte hiermit internationalen Erfolg.

Mit seinem neusten Werk VIRGIN MOUNTAIN setzt Dagur Kári seinen Erfolg nun fort. Dieser feierte seine Weltpremiere auf der Berlinale, gewann drei Preise auf dem Tribeca Film Festival und erhielt zudem den begehrten Filmpreis des Nordischen Rates. Ein Erfolg, für den Dagur Kári keine gigantischen Budgets oder weltweit bekannte Schauspieler brauchte. Nur viel Leidenschaft, Liebe für seine Figuren und Menschlichkeit.

Zum deutschen Kinostart von VIRGIN MOUNTAIN am 12. November präsentieren wir ausgewählte Auszüge aus einem Interview mit Dagur Kári. Und zeigen auf, weshalb die Geschichte rund um den Außenseiter Fúsi ohne jede Frage als neuer Höhepunkt in der Filmographie des Regisseurs bezeichnet werden darf.

VIRGIN MOUNTAIN

VIRGIN MOUNTAIN handelt vom Erwachsenwerden eines eigentlich längst erwachsenen Mannes, der aufgrund seiner körperlichen Verfassung ein Außenseiter ist. Das Thema erinnert durchaus an Ihr Spielfilmdebüt NOÍ ALBÍNÓI und bis zu einem gewissen Grad auch an DARK HORSE. Was interessiert Sie so sehr an solchen Außenseiter-Figuren?

Es ist eigentlich keine bewusste Entscheidung von mir, immer wieder Außenseiter zu zeigen.Mir geht es einfach darum Figuren zu erschaffen, die so interessant wie möglich sind. Und Menschen, die ein bisschen neben der Spur oder fehl am Platz sind, ziehen einfach spannendere Situationen nach sich als solche, die sich überall anpassen können. Darauf liegt mein Fokus: auf der Figur und der Situation. Aber der Begriff Außenseiter schwirrte mir eigentlich nie durch den Kopf bevor die Journalisten anfingen, mich darauf hinzuweisen.

VIRGIN MOUNTAIN ist eher eine intensive und radikale Charakterstudie als eine romantische Komödie, auch wenn man nicht ganz falsch läge, den Film als Islands Antwort auf 40 (MÄNNLICH), JUNGFRAU, SUCHT… zu beschreiben. Auf jeden Fall haben Sie sich entschieden, sich nicht auf die Klischees von Beziehungskomödien einzulassen und so nah wie möglich an der Realität zu bleiben. Warum?

Sobald man so ein „Junge trifft Mädchen“-Element in seinen Film einbaut, schaltet die Geschichte eines Films leider ein bisschen auf Autopilot. Alles wird sehr vorhersehbar, deswegen wollte ich diesem Klischee ganz bewusst einen Twist verpassen. Ich fand außerdem, dass unser Protagonist Fúsi einen anderen Schluss brauchte. Das Ende sollte gleichzeitig ganz klein, aber eben doch auch ganz groß sein. Denn was für uns etwas vollkommen Normales ist, ist für Fúsi ein bahnbrechender Schritt.

VIRGIN MOUNTAIN 2

Wie sind Sie auf Gunnar Jónsson gestoßen? Haben Sie das Drehbuch für ihn geschrieben?

Gunnar war vor etwa 15 Jahren der Sidekick in einer Satire-Sendung im isländischen Fernsehen. Das war das erste Mal, dass ich ihn wahrnahm, und in gewisser Weise war es Liebe auf den ersten Blick. Ich merkte sofort, dass er ein Naturtalent ist und hatte den großen Wunsch, ihn mal in einer dramatischen Hauptrolle zu sehen. Deswegen habe ich das Drehbuch explizit für ihn geschrieben. Er ist der Film – und ohne ihn hätte ich ihn nicht gedreht. Sein Talent ist enorm und seine Präsenz auf der Leinwand meiner Meinung nach einzigartig. Obwohl er kein klassisch ausgebildeter Schauspieler ist, ist er unglaublich professionell und präzise. Ich will ihn von nun an am liebsten in jedem meiner Filme besetzen.

Woher nehmen Sie als Regisseur und Autor Ihre Inspiration?

Inspiration kommt von überall und nirgends – und ohne Frage immer in Wellen. Es gibt Phasen, in denen ich mich vollkommen leer fühle. Aber ich habe gelernt, dass diese Phasen wirklich wichtig sind, denn in denen arbeitet dein Unterbewusstsein auf Hochtouren und in der Regel folgt danach immer eine höchst produktive Phase.

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Was macht VIRGIN MOUNTAIN zu einem universellen Film, der Menschen auf der ganzen Welt anspricht?

Es ist die inspirierende Geschichte eines Mannes, der den entscheidenden Schritt in sein weiteres Lebens macht. Damit können die meisten Menschen etwas anfangen, hoffe ich. Außerdem kennen wir alle dieses Schuldgefühl, einen anderen Menschen falsch beurteilt zu haben. Das schlechte Gewissen, das die westliche Welt tief in ihrem Inneren mit sich herumträgt, hat seine Wurzeln in dieser Schuld. Während der Arbeit im Schneideraum spielte ich den Film einmal rückwärts ab und machte eine dazu passende Entdeckung: der Name unseres Protagonisten Fúsi klingt rückwärts gesprochen wie Jesus. Nicht in der Schreibweise natürlich, aber eben in der Aussprache. Ein sehr netter Zufall.

Wer sich das Meisterwerk des isländischen Regisseur nun direkt anschauen möchte, der muss sich leider noch bis zum 12. November gedulden. An diesem Tag startet VIRGIN MOUNTAIN nämlich endlich in den deutschen Kinos und lässt uns am besonderen Leben des Außenseiters Fúsi teilhaben. Und unterstreicht abermals, weshalb Dagur Kári aus der Filmwelt nicht mehr wegzudenken ist.

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Der herzensgute Mittvierziger Fúsi ist zwar längst kein Kind mehr, aber deswegen trotzdem noch lange nicht wirklich erwachsen. Er lebt nach wie vor bei seiner Mutter, hatte noch nie eine Freundin und in seiner Freizeit widmet er sich am liebsten Spielzeugsoldaten und ferngesteuerten Autos. Doch sein von ewiger Routine und hämischen Kommentaren seiner Arbeitskollegen geprägtes Einzelgängerleben wird bald schon auf den Kopf gestellt. Erst freundet er sich mit dem neuen Nachbarsmädchen an, dann bringt ein nicht ganz freiwillig besuchter Tanzkurs noch viel größere Veränderungen mit sich. Dort lernt er die ebenso attraktive wie liebenswürdige Sjöfn kennen, die in ihm vollkommen neue Gefühle auslöst. Doch die zarte Liebe, die sich zwischen den beiden anzubahnen scheint, hält ungeahnte Überraschungen und Komplikationen bereit. Jetzt ist es an Fúsi, aus seinem Trott auszubrechen und endlich der Welt zu zeigen, was in ihm steckt.

Der isländische Regisseur Dagur Kári (EIN GUTES HERZ, NOI ALBINOI) erzählt mit lakonisch-trockenem Humor so sensibel und berührend, dass man seinen scheuen Riesen ins Herz schließen muss.

Quelle: Alamode Film

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