Quelle: Comic Con Germany

Sie nennen sich Steampunks und betreiben das Reisebüro Chrono.Tours, das Zeitreisen zu besonderen Ereignissen in der Geschichte anbietet. Was sie an diesem Genre fasziniert, erzählen Sabine Edelfrau von Syntronica und Dietmar Edelherr von Syntronica im Gespräch mit Axel Recht. Auf der CCON | Comic Con Stuttgart (CCON) ist das Steampunk-Paar mit seinem Zeitreisebüro im L-Bank-Forum Halle 1 zu finden.

Wohin führte Sie Ihre letzte Zeitreise und warum gerade dorthin?

Sabine Edelfrau von Syntronica: Zur ersten Erdölbohrung der Welt. Ich wollte wissen, wo sie eigentlich stattgefunden hat. Auf jeden Fall nicht in Nordamerika, wie die meisten glauben, sondern hier in Deutschland. Ich machte mich also mit unserem Luftschiff auf in das Jahr 1858 nach Wieze in die Lüneburger Heide. Dort wurde ich Zeugin, wie sich die Erde öffnete und das schwarze Gold geradezu in die Luft schoss. Prof. Konrad Hunäus war damals auf der Suche nach der erhofften Braunkohle in der Tiefe „nur“ auf Erdöl gestoßen. So ging diese unbeabsichtigte, aber erfolgreiche Bohrung nach Erdöl weltweit in die Geschichte ein.

Dietmar Edelherr von Syntronica: Ich befand mich auf einer Zeitreise zur Krönung Karl des Großen am 25. Dezember im Jahr 800. Dies interessierte mich deswegen, weil es der Wiedereinsetzung eines römischen Kaisers wie in der Antike gleichkam. Karl regierte von Aachen aus und die Edelfrau von Syntronica stammt ja aus Aachen. Außerdem wollte ich mir gern den Petersdom in Rom anschauen, wo Karl zum Kaiser gekrönt wurde.

Wie und wann sind Sie zu diesem Hobby gekommen, gab es einen besonderen Anlass?

Sabine Edelfrau von Syntronica: Vor fünf Jahren hat mich ein DJ via Facebook als Fotografin zu einem Steampunk-Picknick eingeladen. In der Einladung stand, dass man stilecht gekleidet kommen sollte. Also begann ich zu recherchieren, wie man sich für einen solchen Anlass kleidet. Ich war leicht überfordert und so suchte ich damals in „Karnevalsläden“ nach einer passenden Bekleidung. Nachdem ich mein Outfit gefunden hatte, ging ich, ausgestattet mit Picknickdecke und Picknickkorb zum Schloss Monrepos. Als ich dort ankam, staunte ich nicht schlecht. Auf der Wiese saßen Herren im edlen Zwirn und mit Zylinder sowie die Damen in feinster Spitze. Alle saßen auf Picknickdecken oder an kleinen Tischen und zelebrierten ihre mitgebrachten Speisen und Getränke. Kleine Törtchen standen auf Etageren und man speiste auf wertvollem Porzellan. Ein dampfgetriebenes Grammophon spielte wundere Musik und wir tauchten fasziniert ein in die Welt des Schriftstellers Jules Verne.

Dietmar Edelherr von Syntronica: Bei mir war es im Prinzip ganz ähnlich. Derselbe DJ machte mich darauf aufmerksam, dass ein Steampunk-Picknick am Schloss Monrepos in Ludwigsburg stattfände. Er meinte, das wäre doch bestimmt etwas für mich als Fotografen. Darauf zog ich mich in etwa so an, wie ich mir Steampunks vorstellte. Ich wurde freudig aufgenommen und, obwohl ich eher ein Karnevalskostüm trug, zu weiteren Events eingeladen. So wuchsen meine Frau und ich in die „Community“ hinein. Wir wurden quasi vom Steampunk-Virus „infiziert“.

Was hat Sie gerade am Thema Steampunk fasziniert?

Sabine Edelfrau von Syntronica: Es ist wie Eintauchen in eine respektvolle höfliche Szene, die Werte aus einer längst vergangenen Zeit auslebt. Dann die individuelle Gestaltung der Gewandung sowie die kreative Umsetzung von dampfbetriebenen Maschinen. Das Ausleben der eigenen Phantasie und das Erschaffen von etwas Neuem, was mit dieser Zeit, dem ausgehenden 19. Jahrhundert (Industrialisierung und Aufbruchstimmung), zu tun hat.

Dietmar Edelherr von Syntronica: Gerade die Form, wie miteinander umgegangen wird, hat mich fasziniert. Wir nennen es immer „Höflichkeit und Dampftechnologie“. Die Steampunks haben Respekt voreinander und benehmen sich sehr kultiviert. Was für mich sehr fasziniert, ist deren Kreativität. Einmal sind es die Objekte, die manche Gleichgesinnten basteln, wie mit Dampf betriebene Kaffeemaschinen, oder auch die Gewandung und die Accessoires.

Stellen Sie ihre Gewandungen selbst her und falls ja, was sind die Herausforderungen dabei?

Sabine Edelfrau von Syntronica: Also ich style meine Kleidung um. Ich besorge mir beispielsweise in Maastricht oder Roermond passende Kleidung, die meinen Vorstellungen entspricht und dekoriere sie mit Elementen wie Zahnräder, Schlüssel und Uhren.

Dietmar Edelherr von Syntronica: Zudem kennen wir einen Hutmacher, der für uns Hüte nach unseren Vorstellungen gestaltet.

Haben Sie eine / mehrere Lieblingsfiguren in der Literatur / Comics / Film etc., an denen Sie sich orientieren und beeinflussen lassen oder kreieren Sie Ihre eigenen Charaktere?

Sabine Edelfrau von Syntronica: Unsere Charaktere, die wir spielen, basieren auf unserer eigenen Kreativität. Wir lesen viel, wie die Geschichten von Jules Verne oder generell Literatur, die im Viktorianischen Zeitalter (ca. 1837 bis 1910) spielt. So wissen wir auch, wie damals interagiert wurde.

Dietmar Edelherr von Syntronica: Zudem recherchieren wir sehr genau, wenn wir zu einem geschichtlichen Ereignis eine Zeitreise anbieten, um keine Fehler zu machen.

Was werden wir von Ihnen auf der Comic Con in Stuttgart erwarten können?

Sabine Edelfrau von Syntronica: Auf der Comic Con entführen wir die Besucherinnen und Besucher auf faszinierenden Reisen. Wir erklären ihnen detailreich, wie eine Zeitreise vonstattengeht. Im Vorjahr waren wir auch schon mit einem Stand da und haben die Besucher intensiv mitgenommen. Es ging so weit, dass manche wirklich geglaubt haben, dass eine Reise in die Vergangenheit funktioniert.

Was kann man sich konkret unter dem Angebot von Chrono.Tours vorstellen?

Dietmar Edelherr von Syntronica: Chrono.Tours bietet Zeitreisen zu unterschiedlichen geschichtlichen Ereignissen an. Natürlich nicht real, sondern als „Kopfkino“. Wir erzählen den potenziellen „Kunden“, wie eine Zeitreise aussehen könnte. Geben ihnen Details, beschreiben die Orte und vieles mehr. Wir sind dabei so glaubwürdig, dass wir gefragt wurden, ob die Zeitreise schon stattfände.

Sabine Edelfrau von Syntronica: Am 25. Dezember 2021 überlegten wir uns, dass man eine Reise zur Krönung Karls des Großen machen könne. Eigentlich wäre Irene von Byzanz die Kaiserin geworden, doch die katholische Kirche akzeptierte keine Frau in der Militärführung, also ging die Kaiserkrone an Karl. Wenn wir nun eine Reisegruppe haben, in der Frauen sind, kann es durchaus passieren, dass diese ihren Unmut über die fehlende Emanzipation kundtun. Dies müssen wir versuchen zu verhindern, da es theoretisch zu „Querelen“ mit den Menschen aus der Ziel-Zeit kommen könnte. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, ganz oben das Geschehen von der Empore hinter eine Glasscheibe aus zu beobachten.

Welche Tipps haben Sie für angehende Steampunks?

Dietmar Edelherr von Syntronica: Man sollte sich schon eingehend mit dem Thema befassen. Und dann der Kreativität absolut freien Lauf lassen. Die Steampunks sind offen für Ideen. Im Zweifel ansonsten einfach fragen. Wir beißen nicht.

Informationen unter: Der Sekundenzeiger der GeschichteZeitreisende Botschafter unterwegs und Fangruppen

Was bedeutet Steampunk?

Steampunk von englisch steam „Dampf“ und amerikanisch punk „mies“, „wertlos“ ist ein Phänomen, das als literarische Strömung erstmals in den 1980ern auftrat und sich zu einem Kunstgenre, einer kulturellen Bewegung, einem Stil und einer Subkultur entwickelt hat. Dabei werden einerseits moderne und futuristische technische Funktionen mit Mitteln und Materialien des Viktorianischen Zeitalters verknüpft, wodurch ein Retro-Look der Technik entsteht. Andererseits wird die Kultur des Viktorianischen Zeitalters in idealisierter Form präsentiert. Steampunk fällt damit in den Bereich des „Retro-Futurismus“, also einer Vorstellung der Zukunft aus der Perspektive früherer Zeiten. Häufige Elemente des Steampunks sind dampf- und zahnradgetriebene Mechanik, viktorianischer Kleidungsstil und ein viktorianisches Wertemodell, eine gewisse Do-it-yourself-Mentalität und Abenteuerromantik. Elemente des Steampunks finden sich in vielen Bereichen der populären Kultur wieder, von Film und Fernsehen über Gesellschaftsspiele bis zu Comics und Musikprojekten.

Die Wurzeln des Steampunks finden sich in den Romanen und Geschichten von Jules Verne und H. G. Wells. Diese frühen Science-Fiction-Autoren beschrieben die Zukunft der Technik aus der Sicht ihrer Zeit heraus, dem frühen industriellen Zeitalter, in dem der Vorreiter der Technik die Dampfmaschine war, in der Uhrwerke zur höchsten Präzision gebracht wurden und die Nutzung der Elektrizität noch in den Kinderschuhen steckte. (Quelle: Wikipedia)